Stadtleben

MARIO SCHMITT über sein ehrenamtliches Fotoprojekt

Mario Schmitt im Interview

Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem neusten Fotoprojekt?

Die Pandemie hat auch mich als freien Fotografen mit voller Wucht getroffen. Seit April 2020 werden Aufträge storniert, da Veranstaltungen nicht stattfinden dürfen. Ich lebe nun mal von Events und Hochzeiten. 2020 hatte ich schon enorme finanzielle Einbußen und in 2021 weiß ich auch noch nicht wie das Jahr finanziell für mich enden wird. Auch in diesem Jahr werden Veranstaltungen vermutlich noch nicht in vollen Umfang stattfinden. Unterstützung vom Staat erhalte ich leider gar keine – als Soloselbstständiger ohne hohe Betriebskosten falle ich durch sämtliche Raster. Normalerweise verdiene ich mein Geld hauptsächlich in den Sommermonaten. Im Winter bin ich eigentlich im Ausland, um für Non-Profit-Organisationen zu arbeiten.

Leider war auch das in diesem Jahr nicht möglich. Also blieb ich zu Hause in Würzburg und überlegte mir, was ich mit meiner freien Zeit tun kann. Ich war plötzlich so ausgebremst und mir wurde klar, dass es vielen anderen Künstlern und Unternehmern genauso geht wie mir. Gastronomie und Einzelhandel sind dicht, viele Selbstständige können Ihre Läden nicht öffnen und stehen teilweise vor dem Ruin. Da hatte ich die Idee die Zeit des „Stillstands“ sinnvoll zu nutzen und diese Menschen in meiner Heimatstadt Würzburg zu portraitieren und ihnen eine Stimme zu geben.

Was war Ihnen bei den Fotos wichtig?

Ich wollte die Protagonisten in ihrem gewohnten Arbeitsumfeld porträtieren und eine Möglichkeit bieten, auf sich aufmerksam zu machen. Entstanden ist ein eine umfangreiche Serie mit drei Porträts pro Teilnehmer und einem O-Ton Statement. Die Tonspur in Kombination mit den Fotos macht aus jedem Beitrag ein ganz individuelles und persönliches Porträt. Diese Fotostrecke soll die Menschen in meiner Stadt motivieren durchzuhalten und gleichzeitig ein dokumentarisches Zeitzeugnis entstehen lassen, welches uns auch nach dieser außergewöhnlichen Phase immer daran erinnern lässt, in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten.

Wie war die Resonanz der Unternehmen und der Würzburger zu den fertigen Bildern?

Die Resonanz war überwältigend! Damit hatte ich nicht gerechnet. Ursprünglich wollte ich nur 10 bis 15 Personen aus meinem bekannten Umfeld portraitieren. Als ich die ersten Fotos auf Facebook veröffentlichte, wurde der Beitrag über 150x geteilt und ich bekam immer mehr Anfragen von Unternehmern, die bei meinem Projekt mitmachen wollten. Mittlerweile habe ich über 100 Teilnehmer fotografiert und jeder einzelne ist es wert, ein Bild und eine Stimme zu bekommen. Ich bekam die Möglichkeit für ein Radiointerview bei Radio Gong, die Main-Post widmete mir eine Doppelseite in ihrer Samstagsausgabe, TV Mainfranken brachte einen Beitrag über mich und die Stadt Würzburg förderte mein Projekt sogar, wofür ich wahnsinnig dankbar bin! Aber vor allem bin ich dankbar für die Offenheit und das Vertrauen meiner Protagonisten. Sie haben mir volle künstlerische Freiheit gegeben, sie so zu fotografieren ich wie ich es mir vorgestellt hatte. Alle haben super mitgemacht und ihre Geschichten gingen mir teilweise wirklich nahe. Hier geht es um Existenzen! Da floss schon auch die ein oder andere Träne während des Shootings.

Was wird mit diesen Momentaufnahmen aus der Corona-Krise passieren? Planen Sie eine Ausstellung oder einen Bildband?

Ich plane zusammen mit vier weiteren Fotografen aus Würzburg, die ähnliche Projekte durchgeführt haben, eine Ausstellung im Sommer. Hier befinden wir uns gerade in der Planungsphase, wie wir diese Ausstellung aufziehen wollen. Herzstück meines Projekts wird für mich ein Bildband sein. Die Portraits sollten auf jeden Fall als Buch für „die Zeit danach“ festgehalten und veröffentlicht werden.

Was haben Sie persönlich aus dieser schwierigen Zeit mitgenommen? Konnten Sie ihr etwas Positives abgewinnen?

Tatsächlich hat mich die Pandemie im letzten Frühjahr doch erst einmal sehr getroffen. Mit einer derartigen Krise konnte niemand rechnen. Die erste Panik, die Sorge, wie es weitergehen soll, kann einen schon auffressen. Aber wenn man erst einmal aus der Schockstarre erwacht, ermöglicht es einem auch die Dinge vielleicht einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Projekte anzugehen, für die man bisher keine Zeit hatte. Ich habe zum Beispiel den ersten Lockdown dazu genutzt, um meine Website neu zu gestalten. Dadurch konnte ich im Bereich Businessfotografie für mich neue Möglichkeiten aufgezeigt und mir dadurch zu den beiden Standbeinen Hochzeiten und Reisereportage auch noch eine Perspektive für Businessfotografie ermöglichen.

Abgesehen von den finanziellen Einbußen, hat mich die Pandemie als Fotograf weitergebracht und mir durchaus auch neue Türen geöffnet. Ich habe viele Unternehmer in den vergangenen 6 Wochen interviewt und war beeindruckt von ihrer Flexibilität und Kreativität. Besondere Zeiten bedürfen besonderer Maßnahmen und den Mut weiterhin an sich zu glauben und neue Wege zu gehen. Wir wären keine Künstler, keine Macher, keine Optimisten, wenn wir nicht versuchen würden, auch diese Krise zu meistern, etwas Sinnvolles damit anzufangen und die Hoffnung zu haben, dass man auch gestärkt aus dieser Phase hervorgehen kann. Mein ganz herzlicher Dank geht an dieser Stelle noch einmal an jeden einzelnen Teilnehmer für sein Engagement – ich habe mich sehr darüber gefreut.


Mehr Eindrücke unter:
instagram: marioschmitt74
facebook: mario.schmitt
https://www.marioschmitt.com/blog/

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