Stadtleben

Liebeserklärung an den Brückenschoppen

Der Brückenschoppen auf der Alten Mainbrücke ist zum Aushängeschild für Würzburg geworden. Beliebt ist er beim Einheimischen wie bei den Touristen, was große Menschenmengen besonders bei schönem Wetter zeigen. Es tauchen auch mal Kritiker auf – doch die sind weit in der Minderheit

Jubiläum 10 Jahre Brückenschoppen im Weinbistro „Mainwein“ der Gebietswinzergenossenschaft Franken. Im Bild (von links) Vorstandsvorsitzender Andreas Oehm, Geschäftsführender Vorstand Cornelius Lauter, Leiterin des Main- wein Bistro Amelie Frank und Oberbürgermeister Christian Schuchardt als Gratulant

Kaum einen Reiseführer gibt es, in dem der Brückenschoppen nicht erwähnt wird. Wegen seiner großen Anziehungskraft hat er inzwischen Nachahmer gefunden – in Kitzingen, in Ochsenfurt oder jetzt beim Brunnenschoppen in Volkach. Doch an den Würzburger Brückenschoppen kommt nichts heran. Das liegt vor allem am großartigen Ambiente mit dem Blick von der historischen Brücke über den Main zur Festung, zum Käppele und zum Stein – mit dem schönen Heizkraftwerk dazwischen.
Ein Fan des Brückenschoppens ist auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt. „Das ist ein neues Wohnzimmer für viele Würzburger. 60 Prozent der Menschen hier leben in Einzel- wohnungen, da braucht man solche Orte der Begegnung“, sagt er. Einer dieser Einzelgänger ist Horst Büttner, der so gut wie jeden Tag auf der Brücke steht. Lange war der „Bendelhorst“ Lektor im Vogelverlag. Nun ist er Hobbydichter und hat sich seinen Reim auf das Leben auf der Brücke gemacht.

Schein-Heilige und Brückenschwalben Ziehen fröhlich Ihr Spur, Auf der Brücke allenthalben zählen heit´re Stunden nur.

Horst Büttner (Bendelhorst)

Das ganze Gedicht bekommt man als Postkarte in der Alten Mainmühle. Wirt Jan Endres hat 2005 diese Gaststätte nach aufwändigem Umbau eröffnet und damit den Grundstein für den weinseligen Höhenflug der Brücke gelegt. Vor zehn Jahren hat die Winzergemeinschaft Franken nachgelegt mit ihrem Weinbistro „Mainwein“, wo 30 Weine im Ausschank das fränkische Weinbaugebiet repräsentieren. Im Oktober wird hier das zehnjährige Jubiläum gefeiert, doch den Brückenschoppen, der auch im Café Brückenbäck und beim Bio-Bäcker Köhlers ausgeschenkt wird, gibt es schon länger: Am Faschingssonntag im Jahr 2007 hat Christina Galitz mit Bruder Rainer Moll den ersten Tisch aus der Alten Mainmühle herausgetragen, und so sehen sich die Geschwister als Gründer des Brückenschoppens

Thomas Scheuermann feiert seinen Geburtstag mit seiner Frau Andrea (vorne), dahinter Tine Moll, Christine Galitz, Gerda Zimmermann, Petricia Moisecu, Wiebke Rappert-Werninghaus und Petra Karl

Zu ihrem Freundeskreis zählt mit Frank Santo ein weiterer „Schein-Heiliger“, der kaum einen Tag den Brückenschoppen auslässt. Der Messe-Organisator ist an der Brücke aufgewachsen und schon als Schüler zum Deutschhaus-Gymnasium hinübergelaufen. „Das war für mich schon immer etwas besonders: die Staustufen, die Strudel.“ In einem kleinen Laden, wo heute das Weinbistro „Mainwein“ ist, hat er Hefte und Stifte gekauft. „Die Brücke ist mein zweites Wohnzimmer. Es gibt keinen schöneren Platz, um Freunde zu treffen und die Heimat genießen. Hier geht es um Geselligkeit, Unterhaltung und Vergnügen, um Lebensfreude. Der Wein ist da nicht das Allerwichtigste, aber ein schöner Begleiter“, sagt er.


In der Alten Mainbrücke sind unglaubliche Geschichten versteckt. EvaMaria Bast hat einige für die Main-Post aufgespürt und in ihren lesenswerten Büchern „Würzburger Geschichten“ veröffentlicht. So erfährt man von der aus München stammenden Journalistin und Autorin, warum den Kopf des Hl. Nepomuk fünf Sterne umkreisen, warum am Saum des Hl. Josef eine Eidechse herumkriecht – vor allem aber, was es mit dem Kopf der Patrona Frankoniae auf sich hat. Die 1725 aufgestellte Figur versinnbildlicht die Muttergottes Maria und steht als Schutzheilige Frankens. Mit ihrem Fuß unterdrückt sie einen Drachen, der den Teufel symbolisiert. Ihr Blick ist zum Himmel gerichtet, doch ihr Kopf ist 200 Jahre jünger als die Figur. EvaMaria Bast berichtet über einen Artikel im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ von 1949: „Die steinerne Frau verlor … in den Kriegswirren ihren Kopf, und die Flussgötter des Mains gaben ihn nicht
wieder her.“ Ein Bildhauer namens Georg Schneider bekam die Aufgabe, die Figur zu restaurieren. Ein altes Foto der Figur empfand er dafür als nicht hilfreich. Dann kam ihm die Eingebung: Im Mainfränkischen Museum begeisterte er sich für das Gesicht einer jungen Sekretärin, und deren versteinertes Gesicht schaut nun über den Brückenschöpplern in den Himmel.

Wer mehr dazu wissen möchte, kauft die Bücher der Autorin oder spricht sie selbst an, wenn sie wieder einmal mit dem Schoppen auf der Brücke steht – meist neben ihrem Lebenspartner und Freund des Brückenschoppens, Oberbürgermeister Christian Schuchardt.
Eine wichtige Aufgabe hat neben der Frankonia auch die Statue des Heiligen Kilian. Der kleine Finger des Frankenapostels, der Legende nach mit Kolonat und Totnan aus Irland gekommen, war nämlich einmal das Maß für die Meefischli, die nicht größer sein durften als dieser.
Immer lustig war es auf der Brücke nicht. Der Zoff mit Radlern und ordnungswütigen Bürgern ist da noch harmlos, denn es hat auch schon mal Tote gegeben. Günter Huth berichtet in seinem Krimi „Der Schoppenfetzer und der Brückenkrieg“ darüber. Da wird der Wirt der Mainmühle um Schutzgeld erpresst. Unterhaltsame Brückenliteratur mit Würzburcher Dialeggd, aber gottseidank weit davon entfernt von dem, was die Mainbrücke tatsächlich erlebt hat als mittelalterliche Hinrichtungsstätte.

An der Alten Mainbrücke verewigt hat sich selbst der Würzburger Kaufmann, Golfer und Projektentwickler Rudi May, denn er hat die schlimmste Verschandelung der Brücke verhindert. In den 70er Jahren kam aus der städtischen Bauverwaltung die abartige Idee, das im Krieg zerstörte Schwanenhotel neben der Brücke durch einen Betonkasten mit „Städtebaulicher Dominante“, einem 14-geschossigen Hochhaus, zu ersetzen. Rudi May gewann die Kaufhaus-Kette Hertie als Investor und engagierte den Münchner Star-Architekten Freiherr von Branka, der das später preisgekrönte Hertie-Kaufhaus entwarf.

Sie singen den Song zum Brückenschoppen: Gunther Schunck (Mucho Mojo) Klaus Wolf (RedPack) und als Sänger Rechtsanwalt Peter Auffermann

Wenn ich an enn Summeraamd auf der alte Meebrück steh´, Un mir beim Silvanerschöpple Mei Würzburch so anseh´: Des Käbbele, die Festung In under mir der Mee dazu ä Gläsle Frangewein, wie is die Welt doch schöö! schöö! schöö! …

So lässt es sich heute auf der Alten Mainbrücke in angenehmer Atmosphäre erleben, was drei Musiker in ihrem Brückenschoppen-Song veröffentlicht haben. Es ist die musikalische Liebeserklärung von Gunter Schunk (Mucho Mojo), Klaus Wolf (RedPack) und als Sänger Rechtsanwalt und Nachtwächter Peter „Schorsch“ Auffermann.

Herbert Kriener

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